Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Studie zu Kapitalmarktanomalien: Hilft maschinelles Lernen Aktienrendite besser vorherzusagen?

In einem dynamischen Finanzmarkt stellt die präzise Vorhersage von Aktienrenditen eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Ein verbreiteter Ansatz besteht darin, Kapitalmarktanomalien zu nutzen. Diese umfassen bestimmte Unternehmenscharakteristika , die bekanntermaßen Aktienrenditen beeinflussen. Allerdings kämpfen konventionelle lineare Methoden oft mit der in diesen Anomalien innewohnenden Komplexität, insbesondere in einer globalen Stichprobe von Aktienrenditen. Ein Forschungsprojekt von Wissenschaftlern aus Kaiserslautern und München hat maschinelles Lernen eingesetzt, um diese Herausforderung zu bewältigen. Diese neuartige Studie verwendet maschinelles Lernen, um Informationen aus Hunderten von Kapitalmarktanomalien in einer weltweiten Stichprobe von Aktien zu kombinieren. Ihre Ergebnisse wurden im renommierten 'Journal of Asset Management' vorgestellt.

 

Die Vorhersage von Aktienrenditen ist vergleichbar mit der Wettervorhersage, bei der eine Vielzahl von Datenpunkten benötigt wird. Diese umfassen beispielsweise Temperaturen in großer Höhe und Luftfeuchtigkeit bis zu Luftströmungen, Wolkenbedeckung und Sonnenscheindauer. So wie detaillierte meteorologische Daten entscheidend für die Entwicklung genauer Wettervorhersagen sind, sind umfangreiche Finanzdaten und intelligente Methoden, die all diese Informationen zu kombinieren, essentiell für die Vorhersage von Aktien, um festzustellen, ob eine Investition wahrscheinlich profitabel sein wird.

 

"Über 400 Kapitalmarktanomalien, die in den letzten Jahren von führenden Finanzjournalen identifiziert wurden, werden als prädiktiv für Aktienrenditen angesehen", erklärt Professor Dr. Vitor Azevedo von der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU), ein Mitautor der Studie. Ein Beispiel für eine solche Anomalie istder „Short-Term-Reversal“ Effekt, bei der Aktien mit den niedrigsten Renditen des letzten Monats im darauffolgenden Monat tendenziell besser abschneiden als jene mit den höchsten Renditen.

 

Die Studie, durchgeführt von Azevedo, Professor Dr. Sebastian Müller von der Technischen Universität München und Sebastian Kaiser von der Beratungsfirma Roland Berger, erforscht, welche Anomalien am wirkungsvollsten sind, ihre Verknüpfungen untereinander und ihren kollektiven Einfluss auf die Aktienentwicklung. "Traditionelle Methoden wie Regressionsanalysen haben in diesem Zusammenhang ihre Grenzen", merkt Azevedo an. "Deshalb haben wir uns maschinellen Lernmethoden zugewandt, die fähig sind, diese komplexen Beziehungen innerhalb großer Datensätze zu entwirren." Dieser Ansatz, oft von Experten als nicht-lineare Kombination beschrieben, hat signifikante Ergebnisse gezeigt.

 

Konkret hat die Forschung gezeigt, dass maschinelle Lernmodelle, insbesondere jene, die Feedforward-Neuronale Netze oder zusammengesetzte Prädiktoren verwenden, Aktienrenditen mit bemerkenswerter Genauigkeit vorhersagen können. Die Studie analysierte nahezu 1,9 Milliarden Aktien-Monat-Anomalie-Beobachtungen von 1980 bis 2019 in 44 Ländern. "Unsere Forschung zeigt, dass diese KI-Modelle signifikant besser als lineare Methoden sind. Sie erzeugen höhere Gewinne, indem sie in eine Mischung aus Aktien investieren, die voraussichtlich steigen ('Long'-Positionen) und Aktien, von denen erwartet wird, dass sie fallen ('Short'-Positionen), was zu Gewinnen von mehr als 20% pro Jahr führt, wenn man die Größe der Investitionen berücksichtigt", fügt Professor Azevedo hinzu. Diese Ergebnisse sind auch nach Berücksichtigung von Transaktionskosten bis zu 300 Basispunkten robust.

 

Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass ein linearer Ansatz unzureichend ist, um diese Beziehungen vollständig zu verstehen. KI ermöglicht die Identifizierung komplexer Interdependenzen und die Schaffung neuer Datenkombinationen für genauere Renditevorhersagen. Diese Erkenntnis unterstreicht das Potenzial einer solchen Technologie auf dem Finanzmarkt und deutet darauf hin, dass intelligente Algorithmen in Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung fortschrittlicher Aktienpreismodelle spielen könnten.


Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Journal of Asset Management“: veröffentlicht: „Stock market anomalies and machine learning across the globe“.
Vitor Azevedo, Georg Sebastian Kaiser, Sebastian Mueller

DOI: https://doi.org/10.1057/s41260-023-00318-z

Fragen beantworten:
Prof. Dr. Vitor Azevedo
Finanzmanagement / RPTU in Kaiserslautern
Tel. 0631 205 4105
E-Mail:  vitor.azevedo(at)rptu.de

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