Aus den Buschfeuern in Australien lernen: „Es ist höchste Zeit, auch in Europa zu handeln“

Der Sommer 2019/20 ging in Australien als Black Summer in die Geschichte ein. Starke Buschbrände setzten der Feuerwehr dort zu und brachte sie an die Grenzen des Leistbaren. In vielen Orten herrschte der Ausnahmezustand. Zwei Dokumentarfilme haben sich mit dem Thema befasst. Die Kaiserslauterer Juniorprofessorin Dr. Anja Danner-Schröder hat beide im Rahmen einer Studie analysiert und untersucht, welche Routinehandlungen bei den australischen Feuerwehrleuten zum Einsatz gekommen sind. Hiesigen Einsatzkräften rät die Expertin, sich dringenden mit solchen Szenarien zu befassen und sich schon in der Ausbildung damit auseinanderzusetzen.

Die Sommermonate 2019 und 2020 wurden in Australien von Buschbränden dominiert. Sie zählen zu den größten Bränden, die das Land bislang erlebt hat. In vielen Regionen herrschte Ausnahmezustand. Rauchwolken hingen tagelang auch über den großen Städten an der Ostküste. 

Mit diesem Thema haben sich zwei Dokumentarfilme befasst. „Sie nehmen unterschiedliche Perspektiven ein und zeigen auf, was dort geschehen ist. Der Film ‚Burning‛ blickt aus der Vogelperspektive auf das Große und Ganze“, sagt Juniorprofessorin Anja Danner-Schröder von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU). „Dabei geht es unter anderem darum, wie die Politik mit dem Thema umgegangen ist und wie sich der Widerstand in der Gesellschaft formiert hat.“ 

Zur damaligen Zeit war der konservative Premierminister Scott Morrison im Amt, der bei den Feuern keinen Zusammenhang mit dem Klimawandel sah und auch davon ausging, dass die Feuer wie in den Sommern davor gut in den Griff zu bekommen seien. Große Teile der Bevölkerung machten mobil und gingen auf die Straße, um sich für einen Wandel in der Klimapolitik einzusetzen. 

„Der Film ‚Fire Insight‛ hingegen hat die Feuerwehrleute im Kampf gegen das Feuer begleitet“, so die Forscherin weiter. „Man sieht gut, mit welchen Situationen die Einsatzkräfte konfrontiert waren, etwa mit meterhohen Feuerwänden. Dabei wird ihre Ohnmacht deutlich, dass sie mit dem Gelernten nicht weiterkommen.“

Danner-Schröder forscht an der RPTU in Kaiserslautern zu Routinen in Katastrophenfällen, das heißt zum Beispiel, welche Handlungsmuster Einsatzkräfte bei unterschiedlichen Situationen nutzen, um mögliche Gefahren schnell in den Griff zu bekommen. Dazu hat sie bereits in einigen Forschungsprojekten mit Feuerwehrleuten zusammengearbeitet. 

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Kathrin Sele von der Aalto-Universität in Helsinki hat sie diese beiden Dokumentarfilme analysiert und sich mit den Routinen der australischen Feuerwehrleute befasst. „Australien kennt Waldbrände seit Jahrzehnten, das an sich ist nichts Neues“, fährt sie fort. „Die Einsatzkräfte sind geübt und besitzen auch die entsprechende Ausrüstung. Neu war aber das Ausmaß der Brände. Es hat die Feuerwehrleute nach eigenen Angaben an den Rand des Leistbaren gebracht.“ 

Zwar habe die Feuerwehr nach dem Motto gehandelt, dass sie es schon immer geschafft habe, die Brände in den Griff zu bekommen und dass dies auch künftig der Fall sei – wie auch der Premierminister argumentierte. Danner-Schröder: „Hinzu kam aber die Einsicht, dass die Feuerwehr an einem Punkt ankam, an dem es nicht mehr weiterging, an dem das Gelernte nichts mehr nutzte.“

Die beiden Autorinnen der Studie mahnen an, dass sich die Feuerwehren in Europa dringend mit solchen Szenarien in der Ausbildung befassen, alte Handlungsmuster hinterfragen und anpassen müssen. „Es ist höchste Zeit, auch in Europa zu handeln. Hier werden die Brände in den kommenden Jahren ebenfalls zunehmen“, sagt Danner-Schröder. Das unterstreicht auch ein aktueller Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC), wonach 2023 eines der schlimmsten Waldbrandjahre für Europa war. Mehr als eine halbe Million Hektar Fläche ist bei den Bränden zerstört worden – eine Fläche zweimal so groß wie Luxemburg. „Für die Feuerwehren ist es wichtig, Routinen zu entwickeln, Handlungsabläufe wiederholt einzuüben und sich mit den Abläufen bei einer solchen Katastrophe vertraut zu machen“, fährt sie fort. 

In Deutschland seien die Feuerwehren in der Stadt vor allem bei Hausbränden gut aufgestellt. Sie seien jedoch (noch) selten mit solchen flächendeckenden Großfeuern konfrontiert und hätten nicht die entsprechende Ausrüstung. Danner-Schröder: „In der Stadt gibt es Feuerhydranten, sodass Wasser schnell vorhanden ist. Was aber ist in einem trockenen Wald der Fall, bei dem kein Fluss, See oder Brunnen in der Nähe ist und lange Strecken zurückgelegt werden müssen, für die die Schläuche gar nicht ausgelegt sind. Es braucht unter anderem eine andere Ausrüstung, da Feuerwehrleute mit den gängigen Schläuchen bei einer massiven Feuerwand gar nichts ausrichten können.“ 

Darüber hinaus betonen die beiden Autorinnen, dass Behörden von Vorgehensweisen indigener Völker lernen können und müssen, wie es in Australien und Kanada ebenfalls seit vielen Jahren angemahnt wird. „Sie befassen sich schon seit Jahrhunderten damit und haben Feuer beispielsweise mit Gegenfeuer bekämpft und im Sommer vorsorglich Grasland abgebrannt.“ 

Aber auch hierzulande könnten etwa Forstämter bei der Prävention aktiv werden. „Totholz brennt lange und lässt die Temperaturen steigen“, sagt die Kaiserslauterer Forscherin. „Ein Ansatz wäre beispielsweise, dies zu entfernen, um zu verhindern, dass sich Brände schnell ausbreiten.“

Die Studie ist Teil eines größeren Forschungsprojektes, bei dem ein australisches und ein kanadisches Forscherteam die beiden Filme ebenfalls aus ihren Blickwinkeln betrachtet haben. Die Arbeiten zeigen auf, dass es wichtig ist, dass sich Feuerwehren – in unterschiedlichen Teilen der Welt – auf solche Szenarien vorbereiten.

Die Studie „A Routine Dynamics Perspective on the ‘Black Summer’ Bushfires“ ist in der renommierten Financial Times TOP 50 Fachzeitschrift „Organization Studies“ erschienen: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/01708406231181692