Haaß-Talk von Professor Lothar Wieler zu Thema „Führung in Zeiten der Unsicherheit“
Professor Lothar H. Wieler, Lehrstuhlinhaber Digital Global Public Health und Sprecher des Digital Health Clusters am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam, folgte der Einladung von Professor Müller-Seitz zum Haaß-Talk 2024. Sein Vortrag zum Thema „Führung in Zeiten der Unsicherheit“ konzentrierter sich auf die Allgegenwärtigkeit von Krisen und den Umgang damit: Krisen sind Teil unseres Lebens, sie treffen uns im beruflichen sowie privatem Alltag in unterschiedlicher Frequenz und Intensität immer wieder. Größere, teilweise gesamtgesellschaftliche Krisen, nahmen in unserer Gesellschaft im vergangenen Jahrzehnt zu. Deshalb sollte sich unsere Gesellschaft partizipativ und kritisch in einen Dialog über mögliche Krisen begeben. Auch Innovationen – Grundlage einer prosperierenden gesamtgesellschaftlichen Innovationspolitik – sollten sich nicht mehr primär auf ökonomische Ziele wie Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum beschränken, sondern die zugrundeliegende Wissenschaft sollte gezielte Beiträge zu gesellschaftlichen Problemlösungen liefern. In diesem Zusammenhang wird von „missionsorientierter“ Forschung gesprochen.
Diese Transformation kann jedoch nur gelingen, wenn Führungskräfte in Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Politik diesen Gedanken verinnerlichen! Was sind Schritte hin zu einer Lösung dieser Herausforderung? Wie kann eine neue Führungskultur geschaffen werden, die Institutionen mit Überzeugung, agil und verantwortungsbewusst durch Krisen führt?
In meinem Beitrag lege ich meine diesbezüglichen Gedanken dar, denen einerseits die langjährige Leitung einer komplexen Wissenschaftsorganisation mit behördlicher Verwaltungsstruktur zugrunde liegt und andererseits deren Führung durch eine der größten gesamtgesellschaftlichen Krisen der letzten Jahrzehnte, der COVID-19-Pandemie.
Im Mittelpunkt einer jeden erfolgreichen Führungsrolle liegt die ethik- und sinnzentrierte Mission der jeweiligen Institution, die von Führungskräften authentisch vorgelebt werden muss. Diese Mission erleichtert die Ausformulierung klarer Ziele, deren Erreichen durch objektive Daten gestützt werden sollte, gepaart mit einem Wertekodex, der es ermöglicht, gemeinsam mit den Mitarbeitern ein Fundament für die gemeinsame Tätigkeit zu legen. Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang die klare Verteilung von Pflichten und Verantwortungen, die in der Institution transparent dargestellt werden sollten, und die natürlich auch jederzeit einzufordern sind. Das ist die Grundlage für einen vertrauensvollen Umgang miteinander, somit für eine offene Fehlerkultur aller Beteiligten. Für Krisen sollten u.a. Pläne in der Schublade liegen, in denen ebenso Funktionen und Verantwortungen benannt sind, die aber je nach Situation transparent angepasst werden können. Diese transparente Feedbackkultur ist Grundlage einer möglichen Resilienz von Mitarbeitenden und Führungskräften, die im Falle von Herausforderungen oder Problemen Grundlage für agile und zielführende Entscheidungen ist. Im Falle einer Krise ist zudem eine sachliche, offene, und zeitnahe Kommunikation erforderlich, in der auch Unsicherheiten offen angesprochen werden müssen.
Im Idealfall besitzt eine Führungskraft nicht nur eine fachliche Kompetenz, sondern weiß um die eigenen persönlichen Schwächen und Stärken, um authentisch führen zu können. Führungskräftetrainings können Persönlichkeiten nicht grundsätzlich ändern. Je mehr der Schwächen durch starke Teammitglieder im direkten Umfeld der Führungskraft ausgeglichen werden, desto besser wird die Führung während der Krisenzeit gelingen. Zuletzt ist ein intaktes soziales Umfeld der Führungskraft einer hilfreichen Selbstreflektion sicher nicht abträglich.